Hungen (wsc). Bei Renovierungsarbeiten an einem Industriegebäude auf dem Gelände der Firma Jackl kommt es zu einem Unfall mit mehreren verletzten Personen. Außerdem treten unbekannte chemische Stoffe aus. Auf dieses Szenario treffen die herbeigerufenen Einsatzkräfte der Feuerwehren Hungen, Villingen und Nonnenroth.

Für die Großübung hatte sich Daniel Moll von der Feuerwehr Hungen das Drehbuch ausgedacht. Bei Sonnenschein und frostigen Temperaturen waren rund 120 Einsatzkräfte mit einigen Übungsbeobachtern und Statisten in die Übung involviert. Als Gelände diente das ehemalige Fabrikgelände der Firma Jackl. Wie Kai Jackl betonte, liege es ihm am Herzen, die Feuerwehr sowie das Ehrenamt mit der Zurverfügungstellung des Übungsobjektes zu unterstützen. Insgesamt zeigten sich die Gebäude, in denen noch Vorrichtungen zur Verarbeitung chemischer Stoffe verbaut sind, als sehr realitätsbezogen für das Abhalten der Übung. Das Deutsche Rote Kreuz hatte mehrere Statisten als Personen mit täuschend echt aussehenden Verletzungen geschminkt.

Die Feuerwehr aus Biebertal unterstützte die Rettungskräfte mit einem Einsatzleitwagen, der während der Übung zur Entlastung der Leitstelle in Gießen diente. Eine Drohne mit Wärmebildkamera war ebenfalls im Einsatz. Sie stellte der Einsatzleitung Live-Bilder auf verschiedenen Medien zur Verfügung und gilt als ein wertvolles Hilfsmittel zur Bewältigung von größeren Einsatzlagen. Die Rettungskräfte orientieren sich an der sogenannten GAMS-Regel. G: Gefahrerkennen, A: Absperren, M: Menschenrettung und S: Spezialkräfte alarmieren.

So nahmen sich die ersten eintreffenden Kräfte der Erkundung, der ersten Gefahrenabwehr, der Verminderung der Ausbreitung von Gefahrstoffen sowie der Installation eines Dekonplatzes an. »Dekon« steht hier für Dekontaminierung der Einsatzkräfte. Gleichzeitig erfolgte der Aufbau des Dekonplatzes Stufe II auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Die Feuerwehr Hungen führte ihren Gerätewagen »Gefahrgut« mit. Diese ersten Maßnahmen zeigten für die Passanten der Übung bereits, mit welch großen Umfang von verschiedenster Ausstattung Maßnahmen ermöglicht werden müssen. Die verantwortlichen Personen achteten bereits auf ein sachgerechtes Abstellen von Einsatzfahrzeugen, um spätere Behinderungen zu vermeiden. Die Einsatzkräfte stellten fest, dass zwei Mitarbeiter einer Handwerkerfirma im 2. Obergeschoss versehentlich ein unter Druck stehendes Zuleitungsrohr für Chemikalien anbohrten. Die ätzende Flüssigkeit kontaminierte beide Mitarbeiter, einer stürzte von der Leiter, verletzte sich zusätzlich an einem Bein und war gehunfähig. Erste Hilfe leistete sein Kollege. Ein dritter Mitarbeiter der Firma war im 1. Obergeschoss tätig und wurde zu diesem Zeitpunkt vermisst. Aus den Fenstern im 2. Obergeschoss war Rauch der austretenden Chemikalie zur erkennen. Der Firmenbesitzer hielt sich bei der Übung im Hof auf und stand als Informationsgeber zur Verfügung. Er gab Hinweise zu den möglichen Aufenthaltsorten der Arbeiter und dass sich drei Tanks mit je 5000 Litern Chemiekalien im Gebäude befinden. Im Zuge der ersten Erhebungen zeigte es sich für die Einsatzkräfte, dass bei den Chemikalien um »Konzentrierte Schwefelsäure«, »Wasserstoffperoxid« sowie »Aeceton« handelte. Das Einatmen und der Kontakt mit diesem Stoffen führte bei den Verletzten zu Verätzungen an Armen und Beinen. Durch den Sturz erlitt eine Person einen Beinbruch und eine dritte Person war in Panik mit dem Kopf angestoßen und wurde bewusstlos vorgefunden. Bei Einsätzen dieser Art erfolgt eine Verständigung des Gefahrgutzuges des Landkreises Gießen. Hier stehen zwei Züge zur Verfügung, die Teil der Katastropheneinheit sind. In Hungen wurde der Zug »West« unter Leitung von Markus Trinklein involviert.

Die Kräfte hielten sich im Bereitstellungsraum bei Langsdorf auf, um auch eine realitätsbezogene Zeit der Anfahrt zu simulieren. Dieser Zug kommt erst zum Einsatz, wenn alle Maßnahmen zur Rettung von Menschenleben vollzogen sind. Ihnen obliegt die fachliche Bewertung der vorgefundenen Chemikalien und deren Zusammenwirken. Hier erfolgten Umfeldmessungen, Berechnung der Ausbreitungskeule sowie Wasserprobenentnahmen in den angrenzenden Kanalbereichen. Danach werden die Chemikalien in geeigneten Transportbehältnissen geborgen und eine Transportfähigkeit hergestellt. Die Übungsbeobachter bringen ihre Wahrnehmungen noch am Übungstag bei den eingesetzten Kräften an, um den größtmöglichen Mehrwert erzielen zu können. Die erforderlichen Absperrungs- und Umleitungsmaßnahmen führten zu keinen nennenswerten Einschränkungen der Bevölkerung. Eine vorbeikommende Passantin zeigte sich sichtlich erleichtert, dass es sich nur um eine Übung handelte. Insgesamt ist die Großübung der Feuerwehr Hungen als gelungen zu bezeichnen. Die Bürger können sich auf ihre Wehren verlassen. Abschließend sei zu erwähnen, dass bei den Hilfskräften alle Altersklassen als auch Frauen und Männer vertreten waren.

(aus der Online-Ausgabe des Gießener Anzeigers vom 11.03.2024: https://www.giessener-anzeiger.de/lokales/kreis-giessen/chemie-unfall-in-hungen-92882376.html)

Feuerwehr Lich mit Abrollbehälter Betreuung bei Gefahrstoffübung in Hungen

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